Kriminologie in Nordrhein-Westfalen

Das Netzwerk der Kriminologinnen und Kriminologen in Nordrhein-Westfalen


5. Netzwerktagung „Kriminologie in NRW“ am 21. und 22. März 2023

  (Ent-) Kriminalisierung - Tagungsbericht zur 5. Jahrestagung des Netzwerks Kriminologie in NRW am 21. und 22.03.2024 an der Universität Siegen

Ob ein Verhalten als üblich, normgerecht, verwerflich oder gefährlich gilt, ist das Ergebnis fortwährender Kategorisierungsarbeit. Kriminalitätsphänomene gehen so mit Prozessen der Kriminalisierung einher. Die 5. Tagung der in NRW lehrenden und forschenden Kriminolog*innen widmete sich den (Ent-)Kriminalisierungsbestrebungen. Dafür fragten die Organisatorinnen, Dörte Negnal und Anika Gomille, nach den Kategorien und Verfahren in gesetzgebenden, strafverfolgenden und informellen Sanktionierungspraxen und Riten zur Kriminalisierung, aber auch danach, welche Wissensstrukturen wie und wann bemüht werden, um ‚Verdächtige‘, ‚Radikalisierte‘ oder Verurteilte aus dem sicherheitsbehördlichen und justiziellen Fokus zu nehmen. Die Tagung bot jungen Wissenschaftler*innen die Möglichkeit, ihre Studien vorzustellen und zu diskutieren. Auch Studierende des Siegener M.A. Bildung und Soziale Arbeit waren mit Postern, die im kriminologischen Seminar entwickelt wurden, vertreten.

Den Eröffnungsvortrag hielten Annika Walter und Dr. Katharina Leimbach zu den Potenziale der (Ent-)Kriminalisierung durch kriminologische Forschungspraktiken. Die Forscherinnen untersuchten die Verwicklungen von Antragsrhetorik und Erhebungssituationen mit Stigmatisierungs- und Kriminalisierungsprozessen. Das Beispiel mehrerer Forschender vor derselben Moschee mit ähnlichen Forschungsvorhaben legt die von Forschenden vorab gesetzten Kategorien offen, die ihren Blick lenken und das Feld konstruieren. Weitergehende Konflikte im Forschungsprozess entzünden sich an der Parteilichkeit und damit verbundenen Adressierungen Eine reflexive Forschung sucht und gestaltet daher Prozesse der Öffnung und Schließung.

Zum Thema Gewalt-Normalitäten wurden drei Promotionsvorhaben vorgestellt. Marie Törnig (Köln) beleuchtete in ihrem Vortrag „Nein heißt Nein“ die sekundäre Viktimisierung durch Strafverfahren wegen sexualisierter Gewalt. Die Aus- und Festlegungen des „Nein“ zeigen nicht nur die Herausforderungen justizieller Beweisführung, sondern eine inhärente Herabsetzung des Geschehens.

Anhand der Überlegungen von Elijah Andersons „Code of the Street“ präsentierte Alexandra Heyden ihre Ergebnisse aus der Forschung zu „Social processing of violent behavior among adolescents in friendship networks.”. Sie zeigte den positiven Effekt auf das Beliebtheitsnetzwerk, wenn aggressives Verhalten und sich daraus ergebende Gewalt als „Code of the Street“ an einer Schule etabliert ist.

Soziale Kontrolle in Gaming Communities wollen Charlotte Korenke und Marius Kühne untersuchen. In ihrem Vortrag „Abhitlern auf Discord? – Rechtliche und kriminologische Faktoren von Hetze in Gaming Communities“ stellten sie ihr Forschungsdesign vor. Da die Plattform Discord die Umsetzung ihrer rechtlichen Pflichten zur Moderation des Verhaltens ihrer Nutzer an einen Teil dieser Nutzer abgibt, entstehen eigene Regelwerke, die Moderator*innen im Konfliktfall lösen sollen. Diese zu interviewen, ist eine erste Zugangsstrategie, die um weitere Methoden erweitert werden kann, insbesondere um die getroffenen Aussagen und Kommentare von Mitgliedern verschiedener Gaming Communities zu verstehen und in ihren Prinzipien sozialer Kontrolle zu rekonstruieren.

Das zweite Panel Polizei und Normen wurde von Jacqueline D. Oppers und Dr. Tim Lukas eröffnet, die ihre Ergebnisse unter dem Titel “Stigma, Polizei und Ordnungsdienst. Räumliche Stigmatisierung und die Arbeit von Sicherheits- und Ordnungsbehörden im Stadtbezirk Düsseldorf-Oberbilk” präsentierten. Die Präsenz von Polizei und Ordnungsamt habe den Effekt, dass Bürger*innen bestimmte Bereiche als gefährlich einstuften, wie zum Beispiel bei Verkehrskontrollen nahe Moscheen, die als Polizeipräsenz wegen eines vermuteten Terroranschlags interpretiert würden. Andererseits wird das Ausbleiben der Polizei in anderen Orten als ein Zeichen eigener Unsicherheit gedeutet. Räumliche Stigmatisierung wird also durch etablierte Narrative und Stereotype sowie durch die behördliche Präsenz in Stadtvierteln reproduziert.

Im Anschluss stellte Alexander Trinidad sein Projekt zu “Errors and Biases in Police Administrative Data in Light of the Total Error Framework” vor. Die Nutzung von Polizei-Daten in politischen Debatten und politischen Findungsprozessen erfolge häufig im Lichte einer vermeintlichen Abbildung von Kriminalität, Doch wie wird die Datenzusammenstellung organisiert? Und welche ‚Fehler‘ lassen sich in den Polizei-Daten finden?

Thematisch anschließend betonte Laura Schmitz in ihrem Vortrag “Schusswaffengebrauch der Polizei mit tödlichen Folgen”, dass die Statistik der DHPol zu dieser Thematik sehr lückenhaft sei, da allein Informationen über den Schusswaffengebrauch dargestellt würden, aber keine detaillierten Angaben zur Situation. Um die Lücke zu schließen plant sie eine Aktenanalyse und Medienauswertung.

Prof. Dr. Julian Knop schloss den ersten Tag mit der Keynote “Zugang zum Recht im Strafvollzug is not a crime, or is it?” Knop kontrastierte die Wahrnehmung der Rechtsanwendung im Strafvollzug mit der täglichen Praxis und zeigte die sanktionierenden Effekte für Inhaftierte auf, die sich rechtlich Gehör verschaffen. Der Vortrag war für uns Studierende besonders interessant, da er zum Nachdenken über tatsächliche Gerechtigkeit auch im Strafvollzug anregte und einen Perspektivwechsel ermöglichte, den weiter zu verfolgen sich lohnt.

Im Panel C stand (Ent-)Kriminalisierung in biografischen Kontexten im Fokus.. Jasper Bendler stellte sein Projekt „Die gegenseitige Beeinflussung der Entwicklungsverläufe von Delinquenz und Rechtsnormakzeptanz" vor. Im Kontext der Studie „Kriminalität in der modernen Stadt“ (CrimoC) zeigte Bendler, in welchem Verhältnis sich Delinquenz und Normakzeptanz im zeitlichen Verlauf entwickelten. Seine These: eine steigende Rechtsnormakzeptanz im zeitlichen Verlauf habe keinen bzw. einen geringen Einfluss auf das Ausmaß von Delinquenz.

Christof Nägel präsentierte seine Arbeit zur Abschreckung durch Strafmündigkeit, mit der er die wiederkehrenden Debatten um eine Herabsetzung des Strafmündigkeitsalters aufgreift. Ein Ergebnis ist, dass sich kein negativer Trend von selbstberichteter Delinquenz beim Erreichen des Strafmündigkeitsalters zeigt.

Zur Sichtbarkeit der Kriminalisierung zeigte Alexander Wollinger in seinem Vortrag „Zur medialen Konstitution des sozialen Problems sogenannter „Clankriminalität“, die Deutungsmuster und Diskursstrategien innerhalb der medialen Berichterstattung zur sogenannten „Clankriminalität“. Anhand von veröffentlichten Zeitungsartikeln wird deutlich: die Mobilisierung des Themas dient anderen Zwecken, kriminalisiert jedoch im Effekt eine soziale Gruppe.

Das Ausbleiben öffentlich inszenierter Kriminalisierung findet sich hingegen beim Thema Geldwäsche, das Maik Bdeiwi zum Thema machte und beleuchtete die drei Phasen Platzierung, Verschleierung und Integration, die für den Prozess der Geldwäsche notwendig sind, und konkreten Methoden z.B. des “smurfing” oder “structuring“.

In internationaler Hinsicht erörterten Benedict Kreuels und Sanne Kruse-Becher in ihrem Vortrag“Neutralization Techniques and the Abolishment of Forced Labour in Uzbekistan” die Strukturen der Baumwollindustrie in Usbekistan und das dort vorherrschende Zwangssystem. Sie beleuchteten die Rolle der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und die Maßnahmen der usbekischen Regierung, die Zwangsarbeit bestehen lassen. . Im Vortrag von Job Avelino Lohmann wurde das Thema „Wilderei – Kulturtechnik und Straftatbestand zwischen historischer Normalität, früh- bis neuzeitlichen Zuschreibungsprozessen und moderner (Ent-)Kriminalisierung“ behandelt. Dabei wurden der rechtliche Status der Wilderei in Europa, die Motivationen und moralischen Bewertungen dieser Taten diskutiert.

Das Schlusspanel widmete sich der (Ent-Kriminalisierung) im Strafvollzug. Doreen Muhl präsentierte intersektionale Betrachtungen von Geschlecht im Strafvollzug und verwies auf erste Projektergebnisse zur Frage, wie Geschlechterbilder in Haft etabliert sind und welche Effekte diese haben. Die ethnografische Studie zeigt, dass Weiblichkeiten mit Opferkonstruktionen im Haftalltag verwoben sind, die hierarchische Platzanweisungen seitens des Personals ermöglichen. Die Diskussion widmete sich alternativer Formen des Strafvollzugs. Diese müssten jedoch die intersektionale Wirkmächtigkeit zum Zwecke von Disziplinierungsmaßnahmen reduzieren.

Abschließend unternahm Lukas Hofmann eine Retrospektive zu den Problemen des Jugendstrafvollzugs in der BRD in den 1970/80er Jahren. Eine fehlende Professionalisierung im psychologischen und pädagogischen Bereich werde im sozialwissenschaftlichen Diskurs als eines der Probleme dieser Zeit beschrieben und gerate im Diskurs zur Ursache für eine höhere Rückfallquote. Interessant ist die Aktualität dieser Situation, in der das Strafen selbst nicht zur Debatte steht, sondern dessen Professionalisierung.


3. Netzwerktagung „Kriminologie in NRW“ vom 4. bis 5. November 2021

Vom 4. bis 5. November 2021 fand an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung (HSPV) NRW in Köln das 3. Netzwerktreffen „Kriminologie in NRW“ statt.

Im Eröffnungsvortrag „Dimensionen der Kriminologie in NRW“ untersuchte Daniela Pollich auf der Basis des im Jahr 2012 verfassten Freiburger Memorandums zur Lage der Kriminologie in Deutschland die seitdem eingetreten Veränderungen in den angesprochenen Bereichen.

In 19 Vorträgen stellten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aktuelle Forschungsergebnisse zu verschiedenen Bereichen der Kriminologie vor, von Migration, Jugenddelinquenz, -strafrecht und -strafvollzug über Prävention, Cybercrime und racial profiling bis hin zu Sicherheitsempfinden und Clankriminalität. Daran schloss sich regelmäßig eine konstrutive und zum Teil lebhafte Diskussion.

Die Tagung bot darüber hinaus die Gelegenheit, sich untereinander auszutauschen, alte Kontakte zu pflegen und neue Kontakte zu knüpfen.


Erste Tagung des Netzwerks Kriminologie in NRW im März 2019 in Siegen

Vom 27. bis 29. März 2019 fand unter dem Thema „Diskurs – Praxis – Kriminalität“ in Siegen die erste, der in Zukunft jährlich geplante Tagung des Netzwerks der Kriminologinnen und Kriminologen in Nordrhein-Westfalen statt. Ausgerichtet wurde sie vom Department Erziehungswissenschaften und Psychologie der Universität Siegen unter der Leitung von Prof. Dr. Bernd Dollinger und Jun.-Prof. Dr. Dörte Negnal.

Zweck des Netzwerks ist es, die kriminalpolitische Relevanz der nordrhein-westfälischen Kriminologie zu verdeutlichen und ihre Sichtbarkeit zu erhöhen. Das diesjährige Netzwerktreffen bot für 59 Konferenzteilnehmerinnen und -teilnehmern die Möglichkeit zum fachlichen interdisziplinären Austausch und machte damit kriminologisches Wissen für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und für die Öffentlichkeit zugänglich.

Den Auftakt der Veranstaltung bildete am ersten Tag das Treffen der Mitglieder des Netzwerkes, bei dem u.a. die Weichen für die zukünftige Entwicklung des Netzwerks gestellt wurden.

An den beiden folgenden Konferenztagen erhielten vor allem Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler die Möglichkeit, Ergebnisse aus ihren Forschungsarbeiten zu präsentieren und mit den Netzwerkmitgliedern zu diskutieren. Insgesamt 16 Vorträge erlaubten interessante Einblicke in abgeschlossene und laufende kriminologische Forschung aus den Sozial-, Rechts-, Erziehungs- und Polizeiwissenschaften sowie aus der Psychologie und der Sozialen Arbeit. Einige Vorträge werden im Dezember 2019 in der von der DFG geförderten Online-Zeitschrift „Kriminologie – Das Online-Journal“ erscheinen.

Die nächste Tagung des Netzwerks am 26. bis 27. März 2020 wird von der Professur für Kriminologie der Universität Münster ausgerichtet.

Netzwerktreffen in Bochum am 15.06.2018

Am 15.06.2018 fand an der Ruhr-Universität Bochum das erste inhaltliche Treffen des Netzwerks Kriminologie in NRW statt. Um einen ersten Überblick über aktuelle Forschungsprojekte im Netzwerkt zu geben, stellten Prof. Dr. Klaus Boers, Prof. Dr. Frank Neubacher und Prof. Dr. Tobias Singelnstein ihre Projekte näher vor.


Kriminalität in der modernen Stadt (CrimoC)

Prof. Dr. Klaus Boers gab in seinem Vortrag einen Überblick über Befunde aus dem seit dem Jahr 2002 laufenden, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Forschungsprojekt „Kriminalität in der modernen Stadt (CrimoC)“. In der Studie werden die Entstehung und Entwicklung delinquenten Verhaltens im Lebensverlauf untersucht. Hierzu wurden seit 2002 über 3.000 Duisburger Schülerinnen und Schüler, die zu Studienbeginn 13 Jahre alt waren, wiederholt zu delinquenten Verhalten sowie zu persönlichen und sozialen Faktoren befragt. Anfang 2019 wird die insgesamt 13. Erhebung bei den dann durchschnittlich 30-jährigen Probanden durchgeführt.

Mit Hilfe einer solchen prospektiven Panelstudie können unterschiedliche Verläufe delinquenten Verhaltens vom Kindes- bis ins Erwachsenenalter sowie deren Entstehungsbedingungen untersucht werden. Als Verlaufsgruppen ließen sich Nichttäter und gelegentliche Täter, nur im Jugendalter aktive Täter, früh abbrechende sowie persistente Intensivtäter und sogenannte „späten Starter“ beobachten. Zu den sich aus den verschiedenen Verlaufspfaden ergebenden, auch für die Praxis wichtigen Befunden gehören die Heterogenität und Veränderbarkeit delinquenter Verläufe, die Entwicklung zum Delinquenzabbruch selbst bei zunächst dauerhafter Intensivtäterschaft, die große Bedeutung sozialer Entstehungszusammenhänge sowie die negativen Auswirkungen unangemessener justizieller Interventionen.

Nach diesen Befunden sind frühere Annahmen einer generellen Kontinuität intensiver Delinquenz bis weit in das Erwachsenenalter hinein, aber auch die Vorstellung einer lediglich dualen Taxonomie von Intensivtäterverläufen (Moffitt) im Wesentlichen falsifiziert. Zum einen finden sich mehr als nur zwei relevante Delinquenzverlaufsgruppen, wobei vor allem früh abbrechende Intensivtäter und späte Starter die Kontinuitätsannahme in Frage stellen. Zum anderen bleiben selbst die Tathäufigkeiten der persistenten Intensivtäter nicht über einen langen Alterszeitraum (und schon gar nicht lebenslang) sehr hoch, sondern gehen in Deutschland schon ab dem Heranwachsendenalter, in den US-amerikanischen Längsschnittstudien ab dem frühen Erwachsenenalter deutlich zurück. Die Beobachtung, dass zumindest die Hälfte der bereits in später Kindheit hochbelasteten Täter bereits ab der Mitte des Jugendalters das delinquente Verhalten weitgehend abbrechen, relativiert schließlich die vielfach postulierte Bedeutung einer frühen Auffälligkeit für Prognosen einer lang anhaltenden Delinquenz und belegt, dass auch bei in frühem Alter Hochbelasteten ein großes präventives Potenzial für Verhaltensänderungen besteht.


Radikalisierung im digitalen Zeitalter (RadigZ)

Das Projektteam des Instituts für Kriminologie der Universität zu Köln (Bögelein, Meier, Neu-bacher) berichtete unter der Überschrift „Biografie- und Netzwerkanalyse zu Radikalisie-rungsverläufen – erste Erkenntnisse“ aus dem laufenden Projekt. Die Durchsicht der wissen-schaftlichen Literatur ist inzwischen abgeschlossen, die zehn Interviews mit Expertinnen und Experten aus Sicherheitsbehörden und Aussteigerprogrammen sind geführt. Sie ergaben für die Phänomene Islamismus und Rechtsextremismus einige Gemeinsamkeiten, insbesondere was die Rolle der Familie und des sozialen Umfeldes betrifft. Junge Menschen suchen Sinn und das Gefühl von Zugehörigkeit. Das Internet fungiert dabei als Informationsquelle und verstärkt die Hinwendung zu radikalen Sichtweisen. Als Ausstiegsmotive dominieren die Enttäuschung über die wahrgenommene Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit der Ei-gengruppe sowie der Wunsch nach einem bürgerlichen Leben, oft ausgelöst durch die Be-gegnung mit neuen Bezugspersonen. Die Interviews mit radikalisierten Personen konnten wegen einiger Zugangsprobleme erst zum Teil durchgeführt werden. Von 14 Interviews wur-den bislang sieben einer ersten inhaltsanalytischen Auswertung unterzogen, die die Rolle von Familie und sozialem Umfeld bestätigt. Gefühle der Entfremdung von der Gesellschaft und Diskriminierungserfahrungen sind gleichfalls von Bedeutung. Neue Partnerschaften sind häufig Anlass und Motiv für die Distanzierung von radikalen Gruppen, unter Umständen auch eine Inhaftierung.


Strafkulturen

Prof. Dr. Tobias Singelnstein und Elena Isabel Zum-Bruch stellten in ihrem Vortrag erste Ergebnisse aus dem DFG-Forschungsprojekt „Strafkulturen auf dem Kontinent – Frankreich und Deutschland im Vergleich“ vor. Zum einen wurde auf die Ergebnisse einer Bevölkerungsbefragung mit je 3.000 Teilnehmenden in Deutschland und in Frankreich eingegangen. In dieser wurden BürgerInnen mit Fällen leichterer und mittlerer Kriminalität konfrontiert und um ihre Einschätzung einer angemessenen Bestrafung gebeten. Durch Variationen der in den Vignetten beschriebenen Täter konnten nicht nur Vergleiche zwischen Deutschen und Franzosen sowie ebenfalls befragten RichterInnen angestellt werden. Es wurde auch untersucht, welche Einflüsse die Herkunft und die Lebensumstände der Täter auf die Straflust der Befragten ausüben.

Zum anderen wird in dem Projekt auch untersucht, welche Rolle u.a. den Medien bei der Vermittlung von punitiven Diskursen zukommt. Im zweiten Teil des Vortrages wurden hierzu die Ergebnisse aus Experteninterviews vorgestellt, die mit JournalistInnen der Print- und Fernsehmedien durchgeführt wurden. Es wurde dabei auf die Punitivitätseinstellungen der befragten JournalistInnen eingegangen, auf ihre Auffassungen, was die Aufgaben und Rolle der Medien in der Berichtserstattung zu Kriminalität, Sicherheit und Bestrafung seien, sowie auf die Erwartungen, die von verschiedenen Akteuren an sie gerichtet werden, und wie diese die Berichtserstattung beeinflussen.

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